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Wenn Sie vielleicht schon den einen oder anderen Text von mir gelesen oder Fotos meiner Frau gesehen haben, dann ist Ihnen wohl aufgefallen, dass einheimische Wildpflanzen bei uns voll im (Auto)Fokus stehen. Und deswegen würde ich die Frage, ob es immer heimische Wildblumen im Garten sein müssen mit einem klaren Ja beantworten. Folgende 7 Punkte sprechen meiner Ansicht nach für einheimisches wildes Blühen im Garten und überall:

 

1. Kooperationsvertrag: Insekten und Pflanzen haben sich über tausende von Jahren zusammen in co-evolutionärer Abhängigkeit entwickelt. So haben sich zum Beispiel einige Wildbienen auf Glockenblumen spezialisiert und sammeln nur Pollen und Nektar auf der Familie der Glockenblumen. Das ist gut für die Glockenblumen, da die Wahrscheinlichkeit extrem steigt, dass ihr wertvoller Pollen auch zu einer anderen Glockenblume findet und nicht von einem Generalisten, wie die Honigbiene zum nächsten Kirschbaum mitgenommen wird.

Es ist gut für die Wildbiene, die sich exakt zur Blüte des Pflanzenpartners durch ihren Kokon knabbern. Um dann die 4 – 6 Wochen ihres Lebens damit zu verbringen, Pollen und Nektar zu sammeln und ihre Eier auf eine präzis abgemessene Menge blauen Glockenblumenpollen zu betten.

Ein noch klareres Beispiel für diese Pflanzenabhängigkeit sind die Raupen der Schwalbenschwänze. Sie fressen Blätter der Wilden Möhren und Fenchel, aus denen sie einen Abwehrgeruch produzieren, der Vögel davon abschreckt sie zu fressen.

Wird dieser evolutionäre Vertrag gebrochen, weil wir es uns in den Kopf gesetzt haben, fremde Blühpracht aus aller Welt in unseren Garten einzuladen, stirbt das Insekt aus.

2. Lebensgrundlage: Dadurch, dass sich einheimische Tiere über Jahrtausende auf unsere einheimischen Pflanzen eingestellt haben, kommen auf eine Wildpflanze 10 Tiere, welche sie als Nahrungsgrundlage oder anders nutzen, gegen 1 Tier auf einer nicht heimischen Pflanze (Neophyt). Besonders eindrücklich sind einheimische Wildrosen, die bis zu 103 Tierarten anlocken. Wildpflanzen bringen Tiere in Ihren Garten.

3. Wild bedeutet Säen: Wo Pollen und Nektar sind, da sind auch keimfähige Samen. Wildpflanzen sind samenfest, bilden also Samen und säen sich ganz von alleine im Garten aus. Sie müssen nicht alle paar Jahre wieder neue Stauden kaufen gehen.

4. Wild bedeutet Nahrung: Viele der gezüchteten Gartenblumen (Finger weg von Baumarkt-Pflanzen!) sind steril und haben weder Pollen noch Nektar. Gerade bei gefüllten Gartenblumen wurden die Staubblätter zu Blütenblättern umgezüchtet. Hier fliegen Insekten angelockt durch die Blütenpracht herbei, um dann leer auszugehen.

5. Widerstandsfähigkeit & genetische Vielfalt: Die genetische Vielfalt eines Neophyten aus China oder Amerika besteht aus einigen wenigen Pflanzen, die in unser Land eingeführt wurden. Einheimische Wildblumen haben eine grössere genetische Vielfalt, und sie haben über Jahrtausende in unseren Breitengraden in ihrer Epigenetik (Anhängsel am DNA Strang) Informationen gespeichert. Diese zusätzlichen Informationen lassen einheimische Wildpflanzen erstaunlich gut mit grosser Trockenheit, Überschwemmungen und sonstigen extremen Wetterereignissen klarkommen. Damit sind Wildpflanzen und -blumen die Antwort auf den Klimawandel.

6. Arterhaltung: Info Flora und andere Verbände, die sich die Erhaltung seltener Pflanzen auf die Fahne geschrieben haben, sehen es nicht gerne, wenn Privatleute in Ihrem Bereich mitmischen. Ihr Argument ist es, das Wildpflanzen in ihrer natürlichen Umgebung geschützt werden sollen und Arterhaltung nur etwas für die Profis ist. Oft genug hat sich aber weltweit gezeigt, dass private Pflanzenverrückte Pflanzenarten vor dem Aussterben retteten oder plötzlich herausfanden, wie man eine seltene Art vermehren kann. Es ist klar: Pflanzen in der freien Wildbahn sind zu schützen. Und doch kann man in Wildstauden-Gärtnereien viele seltene und sogar in der Schweiz bedrohte Pflanzen erwerben und in seinen Garten pflanzen und so etwas zur Erhaltung einer Art beitragen.

7. Schönheit: Wildpflanzen sind einfach wunderschön. Sie blühen vielleicht nicht ganz so lange oder haben nicht ganz so ausgefallene Blütenfarben. Aber sie bestechen oft durch zarte Schönheit und einige von Ihnen können durchaus üppig blühen. Ihre Blühpracht kommt mit einem regen Insektenbesuch, der einen glücklich macht.

Natürlich sind nicht alle Neophyten und gezüchteten Pflanzen für Insekten völlig untauglich. Es gibt Zuchtformen, die nicht steril sind und den Insekten reichlich Futter bieten. Leider wissen wir beim Kauf der bunten Züchtungen im Baumarkt nicht, ob sie sich als Bienenfreund oder steril herausstellen werden. Und auch beim Anpflanzen von Neophyten im Garten gilt es zu bedenken: viele der heute als invasiv geltenden Pflanzen wurden nach bestem Wissen und Gewissen als brave Gartenpflanzen angepflanzt und haben sich erst hundert Jahre später zu einer invasiven Art entwickelt.

Schlussendlich würde ich im Angesicht von ausgeräumten Agrarlandschaften, Kies und Rasengärten das pflanzen, was für die heimische Tierwelt am meisten bedeutet und hilft: einheimische Wildpflanzen.