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Wenn es eine Blumenart gibt, die mich besonders berührt und fasziniert, dann sind es die Glockenblumen. Ich kann nicht genau sagen, was es ist, das mich so mitnimmt. Sind es die Kelche, so schlicht, aber von formvollendeter Eleganz? Oder sind es die samtigen Farben der Blüten in ihren Violett- Purpurtönen, die mir direkt durchs Auge ins Herz gehen? Was es auch sein mag, wenn ich diese Blumen in der freien Wildbahn oder Zuhause sehe, machen sie mich glücklich.

Deswegen habe ich versucht in unserem Garten reichlich Glockenblumen anzusiedeln. Gleich neben unserer Eingangstür zum Haus steht ein Topf mit einer Rundblättrigen Glockenblume Campanula rotundifolia, die mich den ganzen Sommer über blühend begrüsst. Dazu kommt ein immer grösser werdender Fleck Pfirsichblättrige Glockenblumen Campanula persicifolia in einem Beet und nesselblättrige Glockenblumen Campanula trachelium in einem anderen.

Es hat mich also besonders gefreut, als vor zwei Jahren an der Ecke des Werkzeugschuppens, an einem Ort, an dem ich nie Blumenpracht geplant hatte, eine Rapunzel -Glockenblume Campanula rapunculus von alleine aufkam. War es ein Spätzünder aus einer der vielen Wildblumenmischungen, die ich an anderer Stelle im Garten gesät hatte? Oder durfte man auf unverhofftes wildes Samenpotential aus der Gegend hoffen? Etwas, das ich im Angesicht überdüngter eintöniger Löwenzahnwiesen in unserer Umgebung schon längst aufgegeben hatte. Ich konnte einfach nicht sagen, wie die Pflanze an diesen Ort kam.

Die Rapunzel-Glockenblume schien die ungeklärte Herkunft wenig zu kümmern, denn sie blühte lange und zahlreich aus immer neuen Blütenkelchen und machte mir Freude. Ich sorgte dafür, dass die verblühten Stängel stehen blieben und hielt etwas Erdreich um die Pflanze frei, in der Hoffnung, dass sich das unverhoffte Wunder aussäen und weiterverbreiten möge.

Und wie breitete sie sich im nächsten Jahr weiter aus! Sie blieb nicht nur ihrem alten Standort treu, sondern hatte sich die gesamte Blumenwiese den Hang hinauf ausgesät und es gab gleich ein Dutzend prächtige Stauden. Manchmal dauert es etwas länger. Bei einer prächtigen Taubenskabiose Skabiosa columbaria habe ich Jahre darauf warten müssen, dass Sie sich einmal vermehrt. Auch hier hielt ich die Erde um die Pflanze frei von Beikräutern und wartete auf die ersehnte Selbstaussaat. Aber Pustekuchen, um die Mutterpflanze herum wuchsen keine kleinen Skabiosen an und erst zwei Jahre später haben sich 20 Meter weiter fünf Taubenskabiosen ausgesät und neue Stauden gebildet.

Auch hier kann ich mir nicht erklären, wie die Saat soweit geflogen ist? Oder waren dort gar Ameisen im Spiel? Und warum hat die Saat nicht einfach in der wunderbar krümeligen Erde um die Mutterpflanze gekeimt, aber zwanzig Meter weiter in einem Flecken voller widerspenstiger Borstgräser?

Es ist das Schöne und zu gleich Herausfordernde am Gärtnern mit Wildpflanzen: Sie können sich durch ihre Samen überall im Garten ausbreiten. Nur machen sie sicher nicht genau das, was man geplant hat (jedenfalls bei mir), dafür aber oft und immer wieder Schöneres! Ich bin gespannt, ob es auch dieses Jahr wieder Rapunzel-Glockenblumen im Garten hat. Im April habe ich jedenfalls noch keine Anzeichen der Blattrosetten gesehen. Aber vielleicht sind sie wieder da, nur eben an Stellen, die ich nicht erwartet habe.

Ich hoffe es sehr.