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Drastische Verluste bei Vögeln des Kulturlandes

 

Inzwischen stehen sage und schreibe 40 % aller Brutvögel der Schweiz auf der Roten Liste, weitere 16 % sind potenziell gefährdet. Ganz besonders betroffen sind die Vögel des Kulturlandes. Durch die enorme Intensivierung der Landwirtschaft ging viel Leben verloren.

  • Wo sind die Nahrungsquellen, die Verstecke und die Nistmöglichkeiten in Form von Hecken geblieben?
  • Die wildblumenreichen Wiesen?
  • Die mäandrierenden Bächlein mit ausgedehnter Ufervegetation?
  • Die Moore, die Tümpel und die Feuchtwiesen?
  • Die Hochstamm-Obstgärten?
  • Die summenden, brummenden und gaukelnden Insekten?
  • Die mächtigen Einzelbäume?
  • Die Äcker voller Mohn- und Kornblumen, die nicht sprichwörtlich zu Tode gespritzt wurden?

Vielleicht wären nicht nur die Vögel froh, diese Naturelemente würden in unsere Landschaften zurückkehren …

Zu wenig Nahrung für die Vögel

 

Die Vögel finden im ausgeräumten Kulturland nicht mehr genug Futter. Sogar die Bestände ehemals sehr häufiger Arten wie der Spatzen sind am Schrumpfen. Man versuche einmal, im Winter auch nur eine Handvoll Samen in der Umgebung zu finden … So kann man sich vorstellen, wie es den Piepmätzen geht.

Auch in den Gärten fehlt es an Wildpflanzen wie Karden, Disteln, Brennnesseln und Wegwarten. Wenn es einmal welche hat, werden die toten Stängel im Herbst oft weggeräumt. Dabei wären dies optimale Samenquellen für die Vögel in der Winterzeit. Übrigens überwintern auch viele Insekten in diesen Stängeln.

Insekten sind inzwischen die grösste Mangelware bei den Vögeln. Nicht nur die Vielfalt an Insekten hat rapide abgenommen, auch die Masse an Insekten ist eingebrochen – in den letzten 30 Jahren um über 75 %! Das ist enorm. Hauptgründe: Landwirtschaft und Gärten werden mit Pestiziden gespritzt, überdüngt und es fehlen Wildpflanzen und Strukturen an allen Ecken und Enden.

Was tun?

Ganz offensichtlich sind wir Menschen Schuld an der Misere, aber wir Menschen können die Sache auch wieder ins Lot bringen.

3 zentrale Massnahmen für die Vögel

 

Landwirtschaft

Unsere intelligente Wahl beim Einkaufen ist gefragt. Wenn wir den Wildblumen, den Schmetterlingen und Vögeln – und auch uns selbst – etwas Gutes tun wollen, dann wählen wir biologisch angebaute Nahrungsmittel. Noch nie waren Lebensmittel so günstig und erschwinglich für alle. Mit Bio wählen wir Nahrung ohne chemisch-synthetische Pestizide, ohne Kunstdünger, ohne Produkte von gerodeten Urwaldflächen etc. Natürlich ginge noch mehr, Bio-Anbau ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber es ist etwas, was wir jetzt und einfach tun können.

In politischen Prozessen ist unsere Stimme gefragt. Die Subventionen der Agrarpolitik fliessen mit riesigen Summen in die falsche Richtung – in intensive Monokulturen und naturschädigende Praktiken. Die ökologischen Beiträge fallen da nicht ins Gewicht. Die Agrarpolitik verfehlt Jahr für Jahr die angestrebten „Umweltziele Landwirtschaft“ – welche notabene auf den heute geltenden Gesetzen beruhen. Deshalb ist unsere Stimme nötig in politischen Prozessen. Wir können Parteien und Personen wählen, die sich für die Biodiversität einsetzen. Wir können Initiativen und Petitionen unterzeichnen. Wir können Naturschutzorganisationen in ihrer Arbeit unterstützen, mit Spenden und bei Aktionen.

Naturgarten & Naturbalkon

Wir können in unserem eigenen Reich Wildblumen und Wildsträucher anpflanzen, vielleicht sogar einen einheimischen Baum. Schon ein paar blühende Wildblumen im Balkontopf können Wildbienen und Schmetterlinge anlocken. Wir können im Garten oder vielleicht auf einer Gemeindefläche einen Teich anlegen und an einem sonnigen Plätzchen einen Ast- oder Steinhaufen aufschichten. Wir sollten Pestizide in jedem Fall weglassen. Was lässt sich dann alles beobachten! Es eröffnet sich eine Wunderwelt direkt vor der Haustür …

Fütterung & Nisthilfen

Fütterung und Nisthilfen sind Nothilfe-Massnahmen für die Vögel in der aktuellen Situation des Biodiversitäts-Verlustes. Sie sind auch eine Nothilfe-Massnahme für uns selber, um uns wieder zu verbinden mit der Natur und den Wildtieren. Wichtig ist eine konstante Fütterung. In unserem Garten nahmen die Vögel erst zu, als wir dafür sorgten, dass es immer etwas zu fressen hat an den Futterstellen. Wenn Vögel eine gute Futterquelle gefunden haben, möchten sie auch in der Nähe nisten. In einen Garten von 500 m2 kann man 20 bis 30 Nistkästen aufhängen, möglichst verschiedene Typen für verschiedene Arten. Mehr zu den Nisthilfen hier: Der „Klassiker“ und hier: Nistkästen für Höhlenbrüter.

Das Wichtigste bei der Vogelfütterung

Täglich füttern

Das ist unser Aha-Erlebnis. Erst seit wir dafür sorgen, dass es immer genügend Futter im Futterhaus hat, können die Vögel der Futterstelle vertrauen. Jetzt haben wir mehr Vögel im Garten denn je. Es kommen sogar Arten, die wir hier noch nie gesehen haben.

Kleine Vögel ticken anders als wir:
Ein meisengrosser Vogel mit 20 g Körpergewicht verliert in einer kalten Winternacht etwa 2-4 g, also 10-20 % seiner Körpermasse. Die „verbrennt“ er, um sich warm zu halten. Wenn er dann morgens kein Futter findet, gerät er schnell in grosse Not.

 

Ganzjährig füttern

Vögel brauchen nicht nur im Winter viel Energie, sondern das ganze Jahr. Im Frühling und Sommer verbrauchen sie wegen der anstrengenden Jungenaufzucht teilweise sogar doppelt so viel Nahrung wie im Winter.

Durch die ganzjährige Fütterung kann man auch Zugvögel unterstützen.

6 Ammenmärchen über die ganzjährige Vogelfütterung

1. Mit der Vogelfütterung werden nur häufige Arten unterstützt.

Falsch. Um 1800 gab es noch 5 x mehr Vögel als heute! Es sind sogar Arten rückgängig, die früher häufig waren, z. B. Sperlinge alias Spatzen. Es gibt also von keiner Art „zu viel“, sondern von fast allen viel weniger als früher. Von einer gut eingerichteten Futterstelle können viele verschiedene Arten profitieren, auch weniger häufige.

 

2. Futterstellen sind Quellen für Krankheiten und daher kontraproduktiv.

Falsch. Es gibt viele Studien zu diesem Thema und es konnte klar gezeigt werden, dass Futterstellen nicht zu Krankheits-Anhäufungen führen. Im Gegenteil, gut genährte Vögel verfügen über ein besseres Immunsystem.

 

3. Es sollte nur im Winter bei grosser Kälte und Schnee gefüttert werden.

Falsch. Vögel brauchen im Sommer sogar noch mehr Energie als im Winter – wegen der Jungenaufzucht. In den ausgeräumten Landschaften finden sie auch im Sommer nur wenig Nahrung und müssen oft (zu) weit fliegen.

 

4. Die Fütterung gibt den Arten, die ganzjährig bei uns leben, einen Überlebensvorteil.

Falsch. Diese Frage wurde untersucht und es wurde bewiesen, dass Zugvögel nicht benachteiligt werden durch die Fütterung. Im Gegenteil, auch sie können gerade durch eine Ganzjahresfütterung profitieren.

 

5. Vögel sollen mit der Nahrung im Feld oder im Naturgarten zurechtkommen.

Das ist zynisch. Erst zerstört der Mensch die Lebensgrundlagen der Wildtiere und dann sollen sie mit der Situation selber zurechtkommen. Logisch hat die Änderung der Agrarpolitik Priorität – siehe obenDoch bis unsere Landschaften und Gärten wieder naturnaher und vielfältiger aussehen, können wir den Vögeln mit der ganzjährigen Fütterung über die Runden helfen.

 

6. Wildtiere sollen nicht an Futter gewöhnt werden, sonst kommen sie ohne nicht mehr aus.

Falsch. Auch dieses Argument konnte durch Studien widerlegt werden. Für Wildvögel ist eine Futterstelle immer nur Zufütterung, denn sie suchen sich stets auch noch selber Nahrung. Selbst neben einer vollen Futterstelle lassen sie diese oft links liegen, wenn sie genügend Nahrung in der „Wildbahn“ finden. Jungvögel beispielsweise werden hauptsächlich mit Insekten, Würmern und kleinen Sämereien gefüttert.

Lese-Tipp mit Quellen

„Vögel füttern – aber richtig“, von Peter Berthold und Gabriele Mohr, Kosmos Verlag, 4. komplett überarbeitete Auflage 2017.

Professor Peter Berthold war Direktor des Max-Planck-Instituts für Ornithologie, der Vogelwarte Radolfzell. Er gehört zu den weltweit führenden Ornithologen. Zusammen mit Gabriele Mohr untersucht er seit Jahrzehnten die Vogelwelt und sie haben sehr viel Erfahrung mit der Fütterung frei lebender Vögel gesammelt. Die oben genannten Studien können in diesem Buch nachgelesen werden.

Dieses Buch ist es, das uns begeistert hat für die ganzjährige Vogelfütterung. Und offenbar hat es auch ganz viele andere Menschen inspiriert – das Buch wurde ein Bestseller!

Kosmos Verlag: Vögel füttern – aber richtig

Es ist beglückend etwas für die kleinen Piepmätze zu tun, etwas Konkretes, das offensichtlich hilft. Die bunte Vogelschar und ihr lebendiges Treiben zu beobachten tut dem Herzen gut. Und ihrem Gesang beschert direkt Frühlingsgefühle. Auch für Kinder ist es bereichernd, die kleinen wilden Vögel zu füttern und aus nächster Nähe zu erleben.