Seite wählen

In den Spalten des Betonpflasters um unser Haus wachsen Natternköpfe. Ich weiss nicht wie diese zähen Pflanzen ihre Wurzeln in die nur wenige Millimeter starken Fugen bekommen und längere Perioden ohne Regen überstehen. Geschweige denn, wie ihre Samen in diese Zwischenräume kommen und dort keimen können. Es ist mir ein Rätsel. Und doch scheint es dem Natternkopf in unserem Pflaster zu gefallen.

Jedes Jahr finden sich wieder neue frische Blattrosetten, die dann im nächsten Jahr wunderschön dunkelblau-lila blühen. Die einzige Konkurrenz in diesem extremen Lebensraum sind Winden und Löwenzahn. Und so findet die Wildpflanze in den Ritzen unseres Pflasters immer wieder leere Stellen um keimen zu können. Sehr zu meiner Freude, da ich die Blüten so schön finde und sehr zur Freude der wilden Bienen und Hummeln, die sich am Nektar und Pollen dieser heimischen Art laben. Doch vor einigen Monaten musste ich mich von meinem Blumenfreund leider verabschieden.

 

Ein schwerer Abschied…

Wir hatten eine Feier geplant. Auf der Pflasterfläche wurden Tische und Bänke aufgestellt, es sollte dort gegessen und später (nachdem die Tische weggeräumt sind, wir sind ja bei ordentlichen Leuten) auch so richtig getanzt werden. Unmöglich, dass meine Blumenfreunde diese trampelnde und tanzende Menschenmenge überleben würde und so sagte ich wehmütig auf vielleicht Wiedersehen und bat still es möge noch ein paar Samen in diesen Spalten geben, die demnächst keimen würden.

Es war eine schöne Feier. Der Onkel meiner Frau legte auf und von der ersten Minute haben alle getanzt. Auf den zukünftigen Blumen. Am nächsten Tag sahen die Pflanzen dann platt getreten und tod aus. Sicher nicht mehr zu retten. Ich vergass die ganze Affäre, war viel zu sehr damit beschäftigt aufzuräumen und andere Sachen zu tun.

 

und ein freudiges Wiedersehen

Dann sah ich einige Wochen später verdutzt ein ehemals völlig platt getrampeltes Exemplar. Sie stand in ihrer Pflasterritze, hatte kein einziges Blatt verloren und mit jeder knackigen Zelle ihrer Blätter schien sie zu sagen: „Ihr sollt mich mal nächstes Jahr mal blühen sehen!“ Das hat mich sehr beeindruckt. Ich würde es nicht so schnell wegstecken, wenn auch nur eine Person auf mir rumtrampeln würde (auch im übertragenen Sinne!). Ein Grund mehr für mich diese wunderbare Pflanze noch mehr zu lieben. Du brauchst offene Boden zum Keimen: Kannst Du haben! Und so jäte ich in meinen Blumenbeeten immer wieder Stellen frei und beginne gegen den Löwenzahn und die Winden im Pflaster vorzugehen, damit sich die schönen blauen Blumen sich dort aussäen und keimen können.

Und das mit einigem Erfolg. Auf den offenen Flächen im Beet haben sich nicht nur Natternköpfe, sondern auch Färberkamille (vom Beet nebenan) und Akeleien (von sonst woher) auch gleich mit ausgesäht. Findet der Natternkopf keine freien Flächen mehr ist es vorbei für unseren Samenstrategen, der all seine Kraft in die Blüte im zweiten Jahr setzt um dann samenreich zu sterben. Natternkopf heisst er, meiner Meinung nach, weil die Blüte wie der Rachen einer Schlange aussieht, mit Pollenfäden als gespaltene Zunge. Man könnte auch sagen, die Pflanze beisst. Versuche besser nicht, die Samen ohne Handschuhe zu ernten, denn Stengel und Blüte sind mit haarfeinen Stacheln übersäht, die ordentlich weh tun können. Aber eine Blume ist ja nicht zum Kuscheln da. Tue Dir und Wildbienen einen Gefallen und belasse es nicht beim Lesen: ein bisschen freier Boden (jedes Jahr) und Natternkopf Echium vulgare einsähen macht Freude/Freunde.